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Eine Theorie zu Twitter (leichte Sprache)

Twitter ist keine Sammlung von Nachrichten, sondern eine Art, die Welt zu sehen, bei der es darum geht, die Welt nicht zu sehen. Wer bei Twitter ist, der ist Twitter innerlich ähnlich.

Der Mensch der twittert, wird Twitter ähnlich, aber auch umgekehrt.

Insgesamt ist die Stimmung bei Twitter unklar, sie ändert sich leicht. Was im Leben keinen Platz hat, kann bei Twitter leben. Was man nicht hat oder nicht kann, wird hier wichtig. Nur, wer twittert, versteht das richtig.

Leute, die sich bei Twitter aufhalten, mögen andere Menschen nicht, aber sie brauchen sie trotzdem. Sie sind unsicher und fühlen sich besser, wenn sie ein Teil einer großen Gruppe sind. Menschen, die Twitter nutzen, finden diese Sicherheit nicht in der Familie und nicht im Beruf, sondern nur, wenn sie mit anderen bei Twitter zusammen sind. Bei Twitter gibt es viele Frauen, weil Frauen nicht gern allein sind. Bei Twitter kann man Menschen verlassen, ohne dass es im wirklichen Leben Folgen hat. Das Twittern hilft Menschen, die Angst vor der Langeweile haben. Es ist ein vertrauter Ort für Leute, die davor Angst haben, anderen nahe zu sein oder sich selbst zu nahe zu kommen. Twitter hält Leute zusammen, die keinen Zusammenhalt haben.

Bei Twitter muss man nicht wissen, was man will und kann trotzdem eine Person sein und eine Meinung haben.

Es ist ganz wichtig, dass andere auf Twitter etwas über einen erzählen, der Rest ist nicht so wichtig. Die Twitter-Beiträge antworten aufeinander, das ist wichtig, selbst wenn Leute verschiedener Meinung sind. Man kennt sich. Twitter-Benutzer sind ein bisschen wie Fische im Aquarium, sie spielen und sind auch neugierig. Sie erzählen auch ganz persönliche Sachen und machen sich über sich selbst lustig. Sie schämen sich nicht dafür. Sie können auch bestimmten Leuten direkt eine Nachricht schicken.

Am besten geht das Twittern, wenn man von Twitter nichts Besonderes erwartet. Auch wenn man sich dort nicht richtig wohl fühlt, möchte man trotzdem bei Twitter mitmachen. Das liegt nicht daran, dass Leute sich an Twitter gewöhnen, sondern an der besonderen Art, wie da Gedanken fließen. Manche Menschen können bei Twitter viel besser schreiben als anderswo. Manchen Leuten fallen richtig gute Sachen ein. Harte Menschen werden bei Twitter manchmal weich. Menschen, die andere nicht lieb haben, finden bei Twitter manchmal eine neue Sprache. Geizige Menschen werden bei Twitter manchmal großzügig. Twitter hilft unruhigen Menschen, ihre Angst und Unsicherheit los zu werden. Bei Twitter muss man nicht alles wichtig nehmen und nicht immer das Richtige sagen. Leute können sich an dem freuen, was gerade passiert.

Es gibt noch viel mehr zu erzählen über Twitter:

Aber wer Twitter kennt, weiß das schon. Und wer von Twitter nichts wissen will, dem wollen wir auch nichts erzählen.

Twitter ist ein großes Gespräch, so etwas gibt es sonst nirgendwo. Knut Hamsun hat ein Buch mit dem Titel "Hunger" geschrieben. Dort sagt er im ersten Satz etwas über die Stadt Christiania, was auch für Twitter passt: "Keiner verläßt sie, den sie nicht gezeichnet hätte."

Last update: 3 September 2010 | Impressum—Imprint